Den Rückgang der Epidemie messen
Je nach Perspektive waren diese Woche die Lockerungsdiskussionsorgien oder aber das Wort der Aufreger.
In den meisten Ländern Westeuropas sind wir glücklicherweise, aber leider wohl auch erst mal über die Phase exponentiellen Wachstums der Fallzahlen hinaus. Für den aufsteigenden Trend der Epidemie haben die Zeitungs- und Online-Redakteure mit der Zeit anschauliche Kennzahlen und Graphiken aufgenommen oder entwickelt. Wie könnte man für die Phase der Reduktion jetzt sinnvoll die Lage und Entwicklung messen? Kann man das nur mit Modellen oder auch relativ direkt auf Basis der Fallzahlen?
In diesem Artikel wollen wir:
- Uns ansehen, was für Strategien jetzt verfolgt werden könnten.
- Sehen, wie man die Entwicklung der Fallzahlen in der Phase des Rückgangs sinnvoll erfassen kann.
- Uns damit auseinandersetzen, welche Strategien verwendet bzw. vorgeschlagen werden.
Mein Ziel ist es, der sauber zu bleiben im Sinne der von der Wissenschaftsjournalistin, Fernsehmoderatorin, und Chemikerin Mai Thi Nguyen-Kim geforderten Trennung von neutralen Fakten und (politischen) Schlussfolgerungen.
Wie ist die Lage und welche Strategien gibt es?
In den meisten Ländern Westeuropas sind wir glücklicherweise, aber leider wohl auch erst mal über die Phase exponentiellen Wachstums der Fallzahlen hinaus. Für den aufsteigenden Trend der Epidemie haben die Zeitungs- und Online-Redakteure mit der Zeit anschauliche Kennzahlen und Graphiken aufgenommen oder entwickelt. Wie könnte man für die Phase der Reduktion jetzt sinnvolle Graphiken aufbauen?
Mögliche Ziele
Es ist fast auffällig, dass die Regierungen auf verschiedenen Ebenen vermeiden, zu beschreiben, was sie eigentlich erreichen wollen, oder sich allenfalls auf "weniger Fälle als bei ungebremstem Wachstum" festlegen.An dieser Stelle kann man sich fragen, ob der Kontext der Debatte nicht schon eine implizite Festlegung der Akteure - nämlich auf das Minimalziel "akute Überlastung der medizinischen Versorgung vermeiden" enthält. Mir scheinen jedenfalls die Argumente der "Öffnungsbefürworter" stets nur auf den aktuellen Tag und nicht auf die anzustrebende Lage in 2-3 Wochen und 2-3 Monaten bezogen. Genauso würde das berühmte Merkelsche Unverständnis über die Lockerungsdiskussionen einen erheblichen Sinn ergeben, wenn man unterstellt, dass es ein mittelfristiges Ziel für die Entwicklung gibt. Leider dringt ein solches aber nicht durch.
Mangels einer Kommunikation der Ziele greifen wir auf die Szenarien zurück, die von S. Khailaie et al. am Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung aufgerissen wurden: - unkontrollierte Epidemie, - langfristige Streckung der Epidemie, um unterhalb der Kapazitätsgrenzen des Gesundheitssystems zu bleiben, - Austrocknung der akuten Epidemie.
Glücklicherweise ist das erste Szenario (unkontrollierte Epidemie), das mit einer Überlastung des Gesundheitssystems und vielen Toten einhergeht, als Strategie auch in der Diskussion randständig.
Bei den anderen beiden Alternativen wird es jetzt aber interessant. Das zweite Szenario entspricht ungefähr dem, was als flatten the curve das Ziel des Bremsens der Epidemie war. Hier wäre langfristig eine Durchseuchung der Bevölkerung zu erwarten. Wenn eine überstandene Infektion in Immunität resultiert, wird hier die berühmte Herdenimmunität (60%-70% hatten die Krankheit) erreicht, bevor die Epidemie auch ohne strikte Maßnahmen austrocknet. Wie wir in einem vorherigen Blog-Post gesehen haben, bedeutet das, dass wir die Reproduktionszahl $R$ so lange unter $1.15$ oder so halten müssen.Ich hatte ca. 1.15 geschätzt, in der Süddeutschen Zeitung wird Merkel damit Zitiert, dass bei 1.3 die Krankenhäuser an die Belastungsgrenze kommen.
Tatsächlich könnte (und müsste) der Wert von $R$ bei dieser Strategie über die Zeit steigen, da ja bei $R = 1.15$ der Effekt der immunitätsbedingten Abnahme der Zahl der Neuinfektionen ja schon bei $1 - 1/R = 1-\frac{1}{1.15} \approx 13\%$ Immunität liegt.
Für diese Strategie gibt es verschiedene Rahmenbedingungen zu beachten:
- Das ganze wird sehr lange dauern. Solange kein Impfstoff (oder eine einfache Therapie) großflächig eingesetzt werden kann, muss die Anzahl der gleichzeitigen Infektionen sich an der Kapazität des Gesundheitssystems orientieren. Die typische Hausnummer, die hier kursiert, sind 2-3 Jahre.
- Es ist ein Tanz auf dem Vulkan, wenn die Reproduktionszahl zu weit steigt, gibt es die als zu vermeidendes Szenario viel beschworene zweite Welle.
- Es wird vermutlich viele Tote geben. Bei 60%-70% der Bevölkerung sprechen wir von Größenordnungsmäßig 50 Mio. Menschen. Bei einer Sterblichkeit von 0.5%-2% bedeutet das 250.000 bis 1 Mio. Tote in Deutschland.
- Wir werden sehr lange stark spürbare Einschränkungen behalten. Die Größenordnungen, die verhandelt werden, liegen bei ca. 2 Jahren.
- Man muss überlegen, wie man Risikogruppen schützen will, wenn sie sich "nicht selbst versorgen können".
Das dritte Szenario beruht darauf, dass man die Einschränkungen so lange aufrechterhält, bis eine intensive individuelle Rückverfolgung der Fälle - ähnlich dem Ausbruch im Januar im Umfeld der Webasto-Mitarbeiter möglich ist. Hier müsste man relativ strenge Beschränkungen beibehalten, nicht nur, bis der akute Druck nachlässt, sondern bis man wieder in den Bereich der Möglichkeit individueller Fallverfolgung kommt. Experten geben da verschiedene Werte an ( Dafür können dann aber Beschränkungen (mit Ausnahme von Massenveranstaltungen) relativ umfassend gelockert werden. Das HZI schlägt sehr scharfe Maßnahmen vor, um die Reproduktionszahl auf $0.2$ zu bringen, aber auch mit $0.6-0.8$ lässt sich - wesentlich langsamer - einiges erreichen.
Wieweit müsste die Zahl der Neuinfektionen also fallen, damit diese Strategie erfolg haben kann? M. Mayer-Hartmann wird in der Süddeutschen Zeitung zitiert mit: Meiner Meinung nach müsste die Zahl mindestens dreistellig sein, besser noch in einem niedrigen dreistelligen Bereich liegen.
Nehmen wir als niedrige dreistellige Zahl knapp 170, könnte man das also in 2 Fälle pro Tag und Millionen Einwohner übersetzen. Wir kommen darauf zurück.
Den Rückgang erfassen
Für die Analyse der Szenarien bietet es sich an, den Rückgang zu messen. Institutionen wie das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung stellen modellbasierte Schätzungen der Reproduktionszahl vor.
Das HZI hat natürlich echte Epidemiologen und sollte für echte Entscheidungen eher konsultiert werden als dieser bescheidene Artikel.Auch bei elaborierten Verfahren der Profis sieht man relativ schnell Grenzen des Modells: Es gibt eine starke Variabilität, eventuell sogar Periodizität (aus dem Bauch ggf. aus den Daten mit größerem Meldeverzug am Wochenende) und die enorme Reproduktionszahl der ersten Märzhälfte ist vermutlich der Einschleppung von Fällen in bzw. nach den Winterferien zu verdanken, die das Modell nicht kennt.
Wir zielen hier auf ein Verfahren, dass einfacher ist und mit wenig (direkter) Modellierung auskommt. War für den aufsteigenden Zweig der Epidemie die Gesamtzahl der Fälle eine sehr praktische Größe (vor allem ist sie auch monoton, was so Dinge wie eine Verdopplungszahl leichter macht), ist es jetzt sinnvoll, auf die Anzahl der Neuinfektionen bzw. gemeldeten Fälle pro Tag zu blicken.
Nehmen wir uns die Daten des RKI, haben wir folgenden Graphen:
Da sehen wir die Periodiziät, die potentiell auch das Modell des HZI beeinflusst. Um dem Herr zu werden, nehmen wir einen gleitenden 7-Tages-Durchschnitt.Gleich werden wir auch über den Nachteil sprechen. Jetzt sei schon gesagt, dass gebrochene Fallzahlen aus dieser Mittelung kommen.
Die so vorverarbeiteten Fallzahlen sehen für Deutschland wie folgt aus:
Aha, damit kann man schon eher arbeiten.Hier ist der fallende Ast schon monoton (d.h. ohne sporadische Steigerungen), zu Sicherheit könnte man aber auch jeweils das Maximum über die weiteren Fälle nehmen.
Jetzt wollen wir wissen, wie schnell die Fallzahlen zurückgehen. Wie die Wachstumsphase, die wir erlebt haben, ist auch der Rückgang bei Konstant niedriger Reproduktionszahl $R < 1$ exponentiell, wir interessieren uns also für eine Rate. Den Rückgang der Fälle pro Tag kann man also als $$d = \frac{I_{new}(t + 1 \textrm{ Tag})}{I_{new}(t)}.$$ Wenn wir eine stabilere Schätzung haben möchten, können wir auch das geometrische Mittel $$\hat d = \left(\frac{I_{new}(t + m \textrm{ Tage})}{I_{new}(t)}\right)^{1/m}$$ verwenden.
Das ermöglicht nun zwei Dinge:
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Wenn wir wissen, wie lange es dauert, bis die von einem gemeldeten Fall zum Zeitpunkt $t$ die von diesem infizierten Fälle in der Statistik auftauchen, können wir die Reproduktionszahl $R$ schätzen. Die Dauer, die wir benötigen, ist gerade das serielle IntervallGenauer ist das serielle Intervall ein Erwartungswert, und wir unterstellen hier auch, dass der Abstand zwischen den Meldungen gleich dem Abstand zwischen den Infektionen bzw. den Ausbrüchen ist, was sicher nur eingeschränkt zutrifft.. Das RKI gibt eine Schätzung von 4 im Coronavirus-Steckbrief an. Das HZI verwendet für seine Schätzung offenbar $4.5$ (siehe Link oben). Damit können wir die Reproduktionszahl schätzen als $R \approx d^{\textrm{serielles Intervall}}$.
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Wir können die aktuellen Fallzahlen unter der Annahme, dass dieser Faktor konstant bleibt, extrapolieren. Damit können wir die Zeit schätzen, die man die (zum Zeitpunkt der Ansteckung, also mithin bis zu 2 Wochen zuvor wegen Latenzzeit und solcherlei) Reproduktionszahl halten muss, um zu einer bestimmten "Zielzahl" von täglichen neuen Fällen zu gelangen. Es bietet sich an, die obige Zahl der individuell nachverfolgbaren Fälle zu benutzen.
Das können wir für Deutschland jetzt machen. Die neueste (am 26. April) geglättete Fallzahl ist 1701 und eine Woche zuvor lag sie bei 2512. Damit ist der mittlere tägliche Rückgang $$\hat d = \left(\frac{1701}{2512}\right)^{1/7} \approx 0.946.$$
Wir erhalten eine Schätzung für die Reproduktionszahl von $R \approx 0.946^4.5 \approx 0.78$Das ist höher als die letzte Zahl des HZI..
Für die Abschätzung der Dauer, bis wir 166 tägliche neue Fälle erreichen, können wir den Logarithmus der notwendigen Reduktion durch denjenigen der täglichen Reduktion teilen. Wir erhalten $$ T = \frac{\ln \frac{166}{1701}}{\ln 0.946} \approx 42. $$ In ca. 42 Tagen, also Ende Mai/Anfang Juni, haben wir also ungefähr 2 Fälle pro 1 Mio. Einwohner erreicht.
Wir können das auch graphisch darstellen.Ist da ein Knick ungefähr an Ostern und wir sind schon da langsamer geworden? Der (sehr rohe) Code ist verfügbar, wenn man eigene Projektionen, Updates oder Fehlerkorrekturen vornehmen mag.
Unsere Analyse hier hat - wie die meisten solchen Analysen - den Nachteil eines deutlichen Zeitverzugs. Der virologische Zeitverzug durch die Inkubationszeit bzw. die Zeit bis zum positiven Test kann wohl schwerlich eliminiert werden. Wir haben einen zusätzlichen Zeitverzug durch die beiden Glättungen, nämlich durch die Miittelung der Fallzahlen und bei der Trendschätzung. Es wäre im Prinzip möglich, geschickter um die Periodizität zu bereinigen anstatt sie stumpf, das würde jedoch den Weg von Daten zu Ergebnis konzeptionell verlängern und damit weniger transparent machen.
Einschränkend muss auch gesagt werden, dass eine erstrebenswerte Verringerung der Dunkelziffer - also, eine Erhöhung des Anteils der auch entdeckten und gemeldeten Infektionen - ohne Bereinigung zu einer Unterschätzung des Rückgangs führt. Mein Eindruck - und meine Hoffnung - wäre, dass das zum Beispiel in Italien der Fall ist. Oft wird davon ausgegangen, dass die Quote der positiv ausfallenden Tests mit dem Anteil der unentdeckten Infektionen (negativ) korreliert ist. In Italien sind aktuell ca. 4% der Tests positiv, während es bis Ende Mätz ca 20% waren.Viele Länder erheben diese Quote, Deutschland aber offenbar nicht. Hier ist die Quelle für die Zahlen die Statistik für Italien auf der englischen Wikipedia.
Weiterhin ist zu beachten, dass diese Art von Analyse natürlich nur einen Sinn ergibt, wenn man eine Austrocknungsstrategie verfolgt, vielleicht nicht mit einer Reproduktionszahl von $R=0.2$ wie vom HZI vorgeschlagen, so doch aber mit einem merklich unter $1$ gelegenen Wert. Wenn man die Reproduktionszahl $R$ bewusst nahe an 1 oder sogar darüber rücken lässt, also eine gewisse Anzahl von Fällen ohne das Ziel des weiteren Rückgangs akzeptiert, taugt auch diese Aufbereitung nichts.
Blick über den Tellerrand
Wir können uns auch Fallzahlen und Projektionen für anderswo ansehen. Ich habe für alles außer Frankreich die Daten der JHU benutzt, für Frankreich, bei der die JHU-Datenreihe besonders seltsam schien, die von Wikipedia.
- In Hong Kong, Neuseeland, Südkorea, Taiwan, und Vietnam scheinen die Austrocknung zumindest aktuell funktioniert zu haben.
- In Dänemark scheint die Austrocknungs-Strategie nicht oder jedenfalls nicht mit sehr viel Nachdruck verfolgt zu werden.
- Österreich, die Schweiz und Tschechien sehen qualitativ ähnlich aus wie Deutschland, allerdings geht die Fallzahl in Östereich deutlich stärker zurück.
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Schweden und die Vereinigten Staaten scheinen das schnelle Wachstum noch nicht überwunden zu haben.
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In Italien und Frankreich und dem Vereinigten KönigreichNachträglich von "noch im schnellen Wachstum verschoben". Danke für den Hinweis, Nick!. ist der geschätzte Rückgang relativ schwach, in Spanien wird gar keiner gemessen. Dies kann aber - siehe insbesondere für Italien die Bemerkung zur Dunkelziffer oben - auch daran liegen, dass inzwischen ein höherer Anteil der Fälle erfasst wird.
Schlussfolgerungen
Nachdem ich bis hierher versucht habe, mich an den Fakten zu orientieren (auch wenn Annahmen wie die Anzahl der verfolgbaren Fälle sicher auch beeinflussbar ist), ist es jetzt vielleicht Zeit für einen Abgleich mit der Politik.
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C. Drosten sagt, der sagt in seinem Podcast (Folge 34) Ich denke, der Lockdown war schon relativ effizient. Aber es gibt einen Effekt, der verhindert, dass das Ganze richtig auf Null gesunken ist, auch mit der Neuinzidenz, also mit neuen Zahlen, und das ist, dass sich in dieser Zeit Ausbrüche in Seniorenwohnheimen und in Krankenhäusern gebildet haben.Ich muss ja zugeben, dass ich aus den öffentlichen Daten einen Senioren-Effekt nicht recht sehe, dort sind in den Altersgruppe 15-34, 35-59, 60-79 und 80+ die Fälle jeweils um 24%, 30%, 30% bzw. 34% zurückgegangen, also unter älteren Menschen eher etwas stärker. Angesichts der Sterblichkeit muss man sagen: zum Glück! Insbesondere ist der Lockdown vorbei.
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Die Bundesregierung hat - in Person von Kanzleramtsminister Helge Braun Herdenimmunität als strategische Option ausgeschlossen.
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Nun sind überall Lockerungsdebatten. Wenn man sich den Knick in der Fallzahlenentwicklung ansieht, kann man schon den Verdacht bekommen, dass, genauso wie die Restriktionen schon antizipiert wurden (vgl. denselben Podcast von C. Drosten) genauso die Lockerungsdebatten zu einem Verhalten mit erhöhtem Infektionsrisiko geführt haben.
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C. Drosten führt weiter aus Jetzt ist ein gemeinsames Ziel, den R-Wert zu beobachten und ihn im Bereich von Eins zu halten. Das wiederum klingt wie die Beschreibung, was man bei der Herdenimmunisierungsstrategie tut. Aber immerhin sagt er, was das Ziel ist (wobei er ja immer betont, nicht für die Politik zu sprechen).Ich sollte dazu sagen, dass ich der Auffassung bin und es mir aber bei C. Drosten zu kurz kommt, dass es zwischen 1 und 0.2 als Ziele auch noch weitere gibt. Ich hätte mir ja gut vorstellen können, dass man sagt, noch 2-4 Wochen R < 0.6 und wir sind da, wo wir wieder Einzelfälle detailliert verfolgen.
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Die Lockerungen und Lockerungsforderungen kommen nie mit einer Ansage, was man meint, wie es sich auf die Entwicklung der Fallzahlen auswirkt.Nebenbei: Eines der Argumente der WHO gegen die Maskenempfehlung ist ja, dass Masken geeignet sind, die Leute leichtsinnig werden zu lassen. Mein Eindruck ist ja, dass man das auf Ebene der Politik gerade beobachtet: Wir erlauben alles mögliche, aber natürlich nur mit Maske, ohne wäre es ja unverantwortlich. Man muss konstatieren, dass ein Maskengebot ganz offenbar geeignet ist, Maßnahmen von Abitur bis Einkaufen sicherer erscheinen zu lassen, die sonst eher als unpassend gesehen worden wären. Es scheint immer einzig und allein um das heute zu gehen und selten darum, wo wir in 4 Wochen sein wollen. Aus meiner Sicht besteht hier auch ein Defizit im Hinblick auf kritische Nachfragen seitens der Medien, was denn nun die Strategie ist? Wenn in zwei Wochen etwas überprüft wird, was ist dann ein Zeichen für Erfolg? Gleiche Zahl an neuen Fällen? Weiterer Rückgang um einen Faktor?
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Mein Eindruck ist, dass eine flächendeckende Öffnung von Schulen und Kitas höchstwahrscheinlich davon abhängt, dass die Zahl der Neuinfektionen noch erheblich weiter sinkt. Das würde ja aber bedeuten, dass, wenn man jetzt Dinge tut, die $R$ eher vergrößern, man diesen Tag weiter in die Ferne rücken lässt. Siehe eineinhalb Monate unterschied in den obigen Projektionen. Wieder scheint mir, dass hier, wenn die Politik planvoll eine Kontrolle der Epidemie verfolgt, dieser Plan jedenfalls nicht kommuniziert wird.
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Für mich gibt es auch viele Nebelkerzen gibt. Söders Ich wäre offen für eine Impfpflicht oder die an in der Erwartung mindestens an Magie grenzende Corona-App.Was soll den passieren, wenn die App Alarm schlägt? Quarantäne sofort? Ein Test? Wie viele Alarme können dann pro Tag sinnvoll verarbeitet werden? Vermutlich kommt man wieder bei einigen hundert bis wenige tausend Alarme heraus und auch hier bei niedrigen dreistelligen Zahlen von "Alarmursachen", die sinnvoll verkraftbar sind. Das sind alles Dinge, über die man nachdenken kann, aber das nimmt uns nicht die Notwendigkeit, uns heute darüber zu unterhalten, wie mit der Epidemie umgegangen zu werden.
Wir sollten einfordern, dass eine Diskussion nicht nur über das was wollen wir heute dürfen geführt wird, sondern auch - ich sehe ja ein, dass ein Datum schwierig ist - welche Anforderungen wir haben, damit Schulen und Kindergärten wieder öffnen können. Als einfach gestrickter Mensch wäre meine Hauptidee: Wir müssen zügig eine niedrige Zahl an Neuinfektionen erreichen. Dann kann sich darüber unterhalten, wie wir dahin kommen, dass die Kriterien erfüllt werden. Es wäre gut, wenn wir da die handelnden Personen auch daran messen, ob und wie Maßnahmen dazu beitragen, die Reduktion der Neuinfektionen zu fördern oder aber zu hindern.
P.S.: Wenn jemand die Idee aufgreift und in ein Dashboard einbaut, freue ich mich und bin für eine Quellenangabe dankbar: Thomas Viehmann, Die Kosten vorzeitiger Lockerungen, Lernapparat.de, 2020-04-24 Über Anregungen und Anmerkungen freue ich mich tv@lernapparat.de. Der (sehr rohe) Code ist verfügbar, wenn man eigene Projektionen, Updates oder Fehlerkorrekturen vornehmen mag.